Als Annika Raab Ende der ersten Halbzeit ins Spiel kommt, läuft sie direkt zum Kreis, hebt die Arme hoch, schaut auf den Ball, den Isabelle Hoffmann, Michaela Both und Maike Zeiger von rechts nach links werfen. Raab geht mit, dann bekommt sie von der gegnerischen Abwehr einen Schubser gegen die Schulter. Sie wackelt ein paar Schritte nach links zur nächsten Gegenspielerin, die stößt sie hart in den Rücken, der Ball ist immer noch nicht in ihrer Nähe. Raab schaut ein bisschen ungläubig, irgendwann reißt sie den Ellenbogen hoch, um sich zu befreien und wird daraufhin noch härter angegangen.
Es ist eine Szene, die ungefähr den Charakter der ersten Runde des Saarlandpokals der HSG Ottweiler-Steinbach gegen den Bezirksligisten FSG Dirmingen/Schaumberg zeigt. Ottweiler gewann 21:15 und zieht damit in die nächste Runde ein, aber das Ergebnis und der Sport waren am vergangenen Sonntag Nebensache. Denn das, was auf dem Feld passierte, hatte mit normalem Handball eher weniger zu tun. Es war ein Spiel, bei dem irgendwann nur noch Aggressionen das Geschehen bestimmten, bei dem der Körpereinsatz stark Richtung Rugby ging und bei dem es ein überforderter Schiedsrichter zuließ, dass das Spiel eine Verletztenliste produzierte, die sich eher nach offener Feldschlacht liest als nach einem Spiel zwischen zwei Hobbymannschaften, die diesen Sport normalerweise aus Spaß an der Freude betreiben.
Fabienne Hoffmann traf es noch am „besten“, Schneidezahn gerissen, Platzwunde an der Lippe, sie konnte weiterspielen, ihrer Schwester Isabelle passierte fast das gleiche. Annika Raab erwischte es schlimmer. Als sie sich einmal durch die Schubserei am Kreis durchsetzte, fiel ihr die Dirmingerin Catarina Willhelm so auf das Bein, dass sich Raabs Knie nach unten durchbog. Es sah schlimm aus, aber sie hatte Glück, Innenbänder überdehnt, eine Woche Pause. Aber das Spiel war für sie beendet. Gegen Ende der ersten Halbzeit kam dann auch noch der Krankenwagen vor die Halle. Die Dirmingerin Kathrin Groß hatte sich beim Angriff eine fünf Zentimeter große Platzwunde im Gesicht zugezogen, wahrscheinlich verlor sie dabei auch noch einen Zahn. Das Spiel war für ihre Behandlung fast sieben Minuten unterbrochen, auf dem Hallenboden stand das Blut.
Das es so kam, lag auch ein bisschen am Spielverlauf. Ottweiler, schon vorher durch die Ausfälle von Nadine Schneider und Anisha Chowanietz geschwächt, begann nicht mit den stärksten sieben Spielerinnen und lag Mitte der ersten Hälfte 6:10 hinten. Dirmingen dachte: „Da geht was“, glaubte an die Überraschung und kompensierte den Klassenunterschied mit entsprechendem Körpereinsatz. Der Schiedsrichter ließ viel zu, Dirmingen zog die Konsequenzen daraus und ging noch härter zur Sache. Ottweiler musste reagieren, sie lagen ja hinten, und weil die Mannschaft körperlich nicht die größte ist, hielten sie eben mit den gleichen Mitteln dagegen. Schon früh in der ersten Halbzeit griffen sich die Spielerinnen gegenseitig an Hals und Kopf, die Ellenbogen flogen häufiger durch die Luft als der Ball und der Schiedsrichter war mit Zwei-Minuten-Strafen sparsamer als ein Schotte in Geldnot. Also spielten beide noch härter und so weiter und so fort. Als Catarina Groß dann blutend auf dem Boden lag, wäre die Chance zumindest noch da gewesen, dass alle wieder runterkommen. Aber Keiner, weder Spieler noch Trainer noch Zuschauer, hielt kurz inne und hinterfragte, was hier gerade abgeht und worum es hier eigentlich geht. Stattdessen wurde getobt und geschrien, teilweise auf Kindergarten-Niveau, Dirmingens Trainer flog irgendwann von der Bank, weil er auch eher nicht die Ruhe eines meditierenden Zen-Buddhisten ausstrahlte. Die Gesundheit der Spielerinnen wurde zur Nebensache.
Ottweiler gewann das Spiel dann, weil Torhüterin Angelina Wegener in der Schlussphase fast alles hielt, und Dirmingen die Bälle über das Tor setzte. Auf der anderen Seite versenkten Maike Zeiger und Rebecca Fuchs ihre Würfe von Außen und am Ende stand dann auf dem Spielberichtsbogen ein Ergebnis, dass man von so einem Spiel Saarlandliga gegen Bezirksliga erwartet. Glücklich war damit allerdings niemand. Ottweiler spielt am Samstag um 17 Uhr beim Tabellennachbarn Marpingen II, ein Spiel, bei dem sich entscheidet, ob die Mannschaft oben dran bleibt oder ins Mittelfeld abrutscht. Dirmingen ist aktuell in der Bezirksliga auf Platz eins und kämpft um den Aufstieg und beiden Teams werden die Ausfälle aus diesem Spiel richtig wehtun.
Es spielten: Angelina Wegener, Carolin Schneider (beide Tor) – Carina Eichner, Rebecca Fuchs (3), Michaela Both (2), Maike Zeiger (4), Isabelle Hoffmann (4/1), Sandra Wohlgemuth (2), Katrin Schaadt, Selina Fries (1), Annika Raab (3/1), Fabienne Hoffmann (2)